Gendern im täglichen Sprachgebrauch
Sprache ist ein Konstrukt, das sich im dauerhaften Wandel befindet. Rechtschreibung und Grammatik verändern sich ständig, nicht nur in Social-Media-Kommentarspalten, die wohl nicht gerade das beste Beispiel abgeben. Eindeutschungen vornehmlich englischsprachiger Begriffe und generelle Erweiterungen des Wortschatzes und Sprachgebrauchs gehören zum Alltag. Mittendrin: gendersensible Sprache, ein heiß umstrittenes und viel diskutiertes Konzept. Ist Gendern wirklich eine unnötige Verkompliziert der deutschen Sprache? Von wegen!
Warum wird gegendert?
Im Gegensatz zum Englischen, wo ausschließlich geschlechtsspezifische Pronomen vorkommen, gilt das im Deutschen, wie auch in den romanischen Sprachen, ebenso für Substantive. Somit sprechen wir eine geschlechtsspezifische Sprache, und die ist inhärent männlich. Das sogenannte „generische Maskulinum“ umschreibt eine Gruppe mehrerer Menschen verschiedenen Geschlechts, z. B. „der Leser“. Es sollte somit neutral interpretiert werden, wird allerdings selten so gelesen, wie eine Reihe von Studien zeigen. „Leser“ kann auf grammatikalischer Ebene in verschiedenen Geschlechtern gelesen werden, sogar als Plural. Angesichts etablierter Standards und Wahrnehmungen fällt zunächst die männliche Singularform auf. Ohne zusätzliche Erläuterung lässt sich nämlich nicht sagen, ob weibliche oder diverse Personen Teil besagter Lese(r)gruppe sind.
Wie wird gegendert?
Gendern ist freilich kein neues Thema, die Debatte erstreckt sich bereits über mehrere Jahrzehnte, wenngleich die Bemühungen um gendersensible Sprache in den vergangenen Jahren deutlich zunahm – sehr rudimentär mit den Preferred Pronouns im Englischen und dem Einsatz von They / Them vergleichbar. Generell wird zwischen drei grundlegenden Ansätzen unterschieden:
- Die Beidnennung verwendet die weibliche und männliche Form, also „Leserinnen und Leser“ im oben erwähnten Fall. Hier fehlt allerdings die diverse Variante, komplette sprachliche Inklusion bleibt leider aus.
- Geschlechtsneutrale Formulierungen („Lesende“) erweisen sich in der Regel als elegant, doch funktionieren diese nicht bei allen Begriffen bzw. bedürfen umfassender linguistischer Verrenkungen.
- Das sogenannte Genderzeichen nimmt aktuell Fahrt auf. Dies kann ein Sternchen, Doppelpunkt, Unterstrich oder das bereits bekannte große I sein. Heißt also:
- Leser*innen
- Leser:innen
- Leser_innen
- LeserInnen
Realität und Repräsentation
Die Debatte um Gendern im Sprachgebrauch als aufgeladen zu bezeichnen, wäre wohl stark untertrieben. Argumente gibt es wie Sand am Meer:
- Ja, natürlich gibt es größere Probleme, aber wie sollen diese jemals bewältigt werden, wenn es nicht einmal mit solch einer vermeintlichen Kleinigkeit klappt?
- Klar bringt Gendern anfangs aufwendige, komplizierte Veränderungen mit sich. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und an gendersensible Sprache gewöhnt man sich.
- Selbstverständlich sind Genderzeichen nicht unbedingt grammatikalisch, allerdings lassen sich Rechtschreibung und Grammatik verändern. Wenn schon englische Lehnwörter eingedeutscht und vom Neutralen in Gendervarianten transferiert werden können, dann sollte die Hinzunahme von Zeichen kein Problem darstellen.
- Nicht männliche Personen sind durch das generische Maskulinum nicht automatisch mitgemeint, wie bereits erläutert. Diese Argumentation macht es sich zu einfach.
Gendersensible Sprache schafft Repräsentation und spiegelt die Realität wider. In Österreich ist der Anteil der Frauen an der Gesamtbevölkerung beispielsweise höher (divers nicht erfasst), also warum gibt es hierzulande kein generisches Femininum? Sprache fördert Inklusion und stemmt sich gegen Diskriminierung. Lernen Kinder heute schon entsprechende geschlechtergerechte Sprache, können Barrieren fallen oder gar nicht erst entstehen. Repräsentation in Film und Fernsehen bringt ähnlich lähmende Debatten mit sich. Wenn sich die Gesellschaft ändert, kann Sprache problemlos mitmachen. Letztlich sollte die Sprachverwendung wichtiger als das Sprachsystem an sich sein.
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